„Ich wünsche mir nichts anderes, als das was ich habe!“

Pressemitteilung aus dem SOS-Kinderdorf Ammersee-Lech: SOS-Kinderdorfmutter Menekse Kaross schildert ihren neuen Alltag in Zeiten von Corona. Und sie freut sich auf ein schönes Frühstück zum Muttertag.

Dießen „Den Kindern, insbesondere den kleinen Kindern, die Corona-Situation kindgerecht zu erklären ist nicht ganz einfach.“ Menekse Kaross muss es wissen. Sie ist SOS-Kinderdorfmutter in Dießen und betreut sechs Kinder, die altersgemäß beinahe wie die sprichwörtlichen „Orgelpfeifen“ aufeinander folgen. Sie sind eins, drei, sechs, sieben, acht und 16 Jahre alt. Allesamt sind sie jetzt daheim in ihrem Familienhaus im SOS-Kinderdorf. „Die ersten zwei bis drei Tage waren wir völlig perplex wegen der Situation, dann wurde es etwas chaotisch, dann habe ich einen sehr strengen Tagesplan entwickelt“, beschreibt Kaross die Situation in der Familie. Nun sind die Kinder quasi rund um die Uhr beschäftigt, mit Hausaufgaben, Spieleinheiten, Essenszeiten, Spaziergängen und gemeinsamen Tanzen für die gute Laune. Zwischen Abendbrot und Bettgehzeit wird gemeinschaftlich vorgelesen.

Nur mit diesem geregelten Tagesplan ist es möglich, dass alle es gut schaffen: die Mitarbeiter und die Kinder. Zwischendurch brennen denen immer wieder dieselben Fragen unter den Nägeln: Warum darf ich meine Freundin von nebenan oder den Kumpel aus dem anderen Haus nicht sehen? Sie vermissen ihre Freunde, den Kindergarten und sogar die Schule und ihre Lehrer.

Um ihnen die Situation zu verdeutlichen, versammelte die SOS-Kinderdorfmutter ihre Kinder anfänglich um den großen Familientisch. Hier erklärte sie ihnen einfach und mit einem kleinen visuellen Experiment, warum es nun nötig ist, auf sich und andere aufzupassen, Abstand zu halten und sich immer gut die Hände zu waschen. „Sie sollen die Situation ernst nehmen, wir möchten ihnen aber keine Angst machen“, erklärt Kaross. Dennoch spürt sie die Verunsicherung der Kinder, die in diesen Tagen sehr an ihrer Person hängen.

Verzicht auf freie Tage

Vormittags und nachmittags hat die Kinderdorfmutter Hilfe von verschiedenen Fachkräften. „Diese sammeln jetzt natürlich eine Menge Überstunden an“, so Karos. „Aber wir haben alles gut im Griff!“ Doch die Tage sind für alle übervoll. Sie übernehmen zusätzlich die Aufgaben von Lehrern und manchen externen Therapeuten. Sie suchen nach weiteren Schulmaterialien, falls das, was von der Schule bereitgestellt wird nicht ausreicht. „Die Kinder sollen keine Wissenslücken bekommen!“ Außerdem üben sie mit Kindern, die Defizite haben, so lange diese nicht oder nur eingeschränkt therapeutisch behandelt werden können.

Die Kinderdorfmutter hat beschlossen, zunächst auf ihre freien Tage zu verzichten. Sie möchte das mit ihren Kindern gemeinsam durchstehen. Abends, wenn die Kleinen schlafen, informiert sie sich selber über die Situation. Dann macht sich die 51-Jährige Sorgen um die ihr Anvertrauten, aber auch um ihre leibliche, schon erwachsene Tochter, die in Niedersachsen wohnt und schwanger ist; Und um ihren Vater in der Türkei und ihre Mutter in Bremen. „Es sterben täglich Menschen an dem Virus, meist Ältere, aber auch kleine Kinder. Das macht mir Angst.“

Verwöhnprogramm zum Muttertag

Die Kinderdorfmutter ist in der Türkei „zwar arm, aber sehr glücklich“ bei ihrer Oma aufgewachsen. Mit 14 Jahren kam sie nach Deutschland zu ihrer Mutter. Später studierte sie in Bielefeld Erziehungswissenschaften. Danach arbeitete sie an Schulen und in einem westfälischen Kinderdorf mit ähnlichem Konzept. Nachdem sie sich Anfang 2016 bei SOS-Kinderdorf in Dießen bewarb, ging alles sehr schnell: schon im April trat sie hier ihre neue Stelle an. Ihre Bewerbung kam gleichzeitig mit der Anfrage an das SOS-Kinderdorf, einige ihrer jetzigen Kinder in Dießen aufzunehmen. So kann die Erziehungswissenschaftlerin nicht so recht daran glauben, dass sie heute nur zufällig in Dießen mit den ihr anvertrauten Kindern „wie in einer richtigen Familie“ zusammenlebt.

Sie ist ein Glücksfall für das SOS-Kinderdorf, mit ihrer guten fachlichen Ausbildung und ihrem Herzen am rechten Fleck. „Ich liebe alle Kinder in der Familie wie meine eigenen, es ist genau dasselbe Glück“, erzählt Kaross. Und so hofft sie, mit der ganzen Familie in den Sommerferien nach Niedersachsen zu fahren, um ihre leibliche Tochter zu besuchen, die dann vielleicht schon ihr Baby hat. „Sie ist die große Schwester für alle.“ Mitnehmen wird sie ebenfalls ihren Mann, der in der Kita nebenan arbeitet und für die Kinder im Haus so etwas wie ein Vaterersatz ist. „Ich hoffe, bis dahin hat sich das Leben langsam wieder normalisiert, auch damit wir reisen können!“

Auf die Frage, was sie sich zum Muttertag wünscht, schmunzelt Kaross und erzählt, dass die Kinder immer schon einen Tag vorher anfangen zu tuscheln. Meistens gebe es einen Kaffee ans Bett und ein schönes Frühstück. Und dann gesteht sie: „Ich wünsche mir nichts anderes, als das, was ich habe!“