Pressemitteilung SOS-Kinderdorf Dießen: Auf dem Weg in die Selbständigkeit

Patricia Riedmeier zieht von ihrem Zuhause im SOS-Kinderdorf aus. Sie wird ab Sommer eine Ausbildung als Polizistin in Bamberg beginnen. Ein Blick nach vorne und zurück.

 

Patricia Riedmeier ist 18 Jahre alt. Wie viele Jugendliche in ihrem Alter wird sie flügge, schmiedet Pläne für ihre Zukunft und plant im Sommer „zu Hause“ auszuziehen. Doch sie hat ein ganz besonderes Zuhause: ihre Familie ist die SOS-Kinderdorffamilie von Dagmar Keller in Dießen. „Ich wusste nicht, wie das ist, eine Familie zu haben“, erinnert sich die junge Frau, die erst vor zwei Jahren ins SOS-Kinderdorf kam. Vorher lebte sie zehn Jahre lang in einem Kinderheim in Böbing. Mit 16 Jahren wollte sie dort nicht mehr sein und suchte selber nach Alternativen. Hilfe kam von einer damaligen Erzieherin, die ihr vom SOS-Kinderdorf-Konzept erzählte. Da sie in Peißenberg zur Schule ging, fragte sie in der Dießener Einrichtung nach einem freien Platz – und hatte großes Glück. Denn normalerweise sind die Kinder bei ihrer Aufnahme in die SOS-Kinderdorffamilien nicht älter als zwölf Jahre. Wenn sie jünger sind, fällt es ihnen nämlich leichter, sich in eine familiäre Lebensstruktur – das Konzept von SOS-Kinderdorf – zu integrieren.

Auf dem Weg in die Selbstständigkeit: Patrizia Riedmeier aus dem SOS-Kinderdorf Ammersee-Lech. Foto: Luis Spielhofen

Doch der Zufall wollte es, dass Dagmar Keller zu diesem Zeitpunkt als SOS-Kinderdorfmutter wieder neu startete. Die beiden lernten sich kennen, fanden sich sofort sympathisch und schnell war klar, das Patricia einzieht. „Es ist so schön, dass ich noch Familie erleben durfte!“, so die junge Frau. Sie war sechs Jahre alt, als sie und ihre sechs anderen Geschwister von den leiblichen Eltern getrennt wurden und in verschiedene Einrichtungen kamen. „Das bleibt im Gedächtnis“, erinnert sie sich und berichtet weiter, dass sie auch keine engere Bindung mehr zu ihren leiblichen Geschwistern habe, auch wenn sie sich zweimal im Jahr sehen würden.

Geschwister hat sie dafür nun im SOS-Kinderdorf. „Seit letztem Monat sogar zwei jüngere Neue“, berichtet sie schmunzelnd über die Vergrößerung der Familie im Hause Keller. Außerdem lebten hier bis im letzten Jahr zwei Mädchen in ihrem Alter und dann hat sie noch zwei Brüder. „Mit denen verstehe ich mich richtig gut!“

Berufswunsch Polizistin

Doch seit einiger Zeit schmiedet sie Zukunftspläne. So hat sie sich, nachdem sie im letzten Jahr den Realschulabschluss gemacht hat, im Frühjahr bei der Bundespolizei beworben und hier das Auswahlverfahren bestanden. Im Sommer dieses Jahres beginnt sie nun in Bamberg eine zweieinhalbjährige Ausbildung zur Polizistin. „Das war schon immer mein Traum, das passt perfekt zu mir“, schwärmt Patricia. Sie möchte gerne Menschen helfen, etwas Gutes tun und mit vielen verschiedenen Leuten aller Altersklassen zu tun haben. „Am liebsten möchte ich nach der Ausbildung nach Berlin und dort am Bahnhof arbeiten.“ Hier erwartet sie, ein Stück weit „das wahre Leben zu sehen“.

Dies sieht sie derzeit auch im Augustinum in Dießen. Dort macht sie gerade ein Praktikum. „Ich war schon öfters dort, um mich für die Weihnachtsgeschenke zu bedanken, die wir immer von den Senioren erhalten.“ Während ihrer Zeit dort sind ihr viele der alten Menschen ans Herz gewachsen. Denn durch Corona konnte sie persönlichen Kontakt zu den alten Leuten aufbauen, da diese nicht von Verwandten besucht werden durften. So hörte sie ihnen zu, ging mit ihnen spazieren und übte Treppen-steigen mit ihnen. Dabei erlebte sie auch einige Erfolge, wenn zum Beispiel eine alte Dame ein paar mehr Treppenstufen schaffte, als vorher. „Für mich ist das eine wichtige und auch tolle Erfahrung!“

 

Eine Party zum 18. Geburtstag

Patricia ist ein wahrer Quell positiver Lebenseinstellungen. Sie ist zu einer gemeinschaftsfähigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit herangereift – ein wichtiges Ziel im Rahmen der sogenannten Verselbständigung der Kinder und Jugendlichen in den SOS-Kinderdörfern.

Zu ihrem 18. Geburtstag durfte sie eine große Party im Haus Mosaik feiern. Dazu schrieb sie Einrichtungsleiter Andreas Brommont einen Brief mit der Bitte um Erlaubnis. Diese bekam sie, mit der Auflage, dass alle SOS-Kinderdorf-Familien einverstanden sind. „Alle haben sie zu mir gehalten und sich für mich eingesetzt“, freut sie sich noch im Nachhinein. Und ja – die Geburtstagsparty war ein voller Erfolg! Alle ihre Freunde kamen und natürlich war auch ihre SOS-Kinderdorffamilie mit dabei. Sie kennen sich untereinander, denn ihre Freunde besuchen Patricia oft „zu Hause“ – wie in einer richtigen Familie eben. Und noch etwas ist, wie in einer „richtigen“ Familie: das Verhältnis zu ihrer SOS-Kinderdorfmutter Dagmar Keller „Ich kann ihr alles erzählen, ich habe keine Geheimnisse vor ihr!“, schwärmt Patricia. Und dann fügt sie hinzu: „Ich bin dankbar, dass ich hier sein darf!“

Doch nun, fürs Leben bereit und gestärkt, wird sie ihre eigenen Wege gehen. Während der Woche ist sie für ihre Polizistinnen-Ausbildung in Bamberg in einer Kaserne untergebracht. Doch am Wochenende kommt sie in die Gegend zurück. Ab August zieht sie nämlich mit ihrer besten Freundin in eine WG nach Seeshaupt. Das liegt nicht so weit entfernt von ihrer SOS-Kinderdorffamilie in Dießen.